julia murakami

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julia murakami, geboren/born in 1969 in Luzern/Switzerland, lebt und arbeitet/lives and works in Berlin

for more infos see: http://juliamurakami.tumblr.com/


"anatomy of a fairy tale" - miniatures



„Heute Mensch, morgen schwarze Erde“, besagt ein Sprichwort und beschreibt in wenigen Worten das Phänomen der Vergänglichkeit, den Vanitas-Gedanken. Der Zahn der Zeit nagt unaufhörlich an allem Lebendigen; was bleibt, ist nichts als dunkle, leblose Erde.

Das Märchen hingegen setzt diesen Kreislauf aus. Seine Protagonistinnen vollziehen eine Gratwanderung zwischen Leben und Tod, Aufopferung und Leid, um am Ende dem Tod doch noch zu entrinnen: Rotkäppchen wird, nachdem es vom Wolf verschlungen wurde, von einem Jägersmann gleichsam per Kaiserschnitt befreit; Schneewittchchen und Dornröschen werden durch den rettenden Kuss der Liebe wieder wach geküsst und selbst der Kleinen Seejungfrau, die sich bewusst für den Liebestod entscheidet, wird zu guter Letzt eine unsterbliche Seele in Aussicht gestellt.

In ihrer Serie von Miniaturen Anatomy of a Fairy Tale setzt Julia Murakami diesem märchenhaften Verlauf jedoch ein jähes Ende, indem sie die Frage stellt: Und wenn sie doch gestorben sind? Ihren aus Fimo gearbeiteten Heldinnen - Schneewittchen, Dornröschen, Rotkäppchen, die Kleine Seejungfrau – steht keine Erlösung, keine wundersame Wiederauferstehung bevor.

In My Body Was Cold But I Was Still Breathing sehen wir Rotkäppchen, längst dem Kindesalter entwachsen, mit offenen Eingeweiden auf einem Kiesweg liegen. Neben ihr liegen eine unversehrte Flasche Spätburgunder, Kuchen und Blumen für die Großmutter, welche ihre Geschenke nie erhalten wird.

Nicht minder aussichtslos liegt die Kleine Seejungfrau in Between You And The Deep Blue Sea mit abgetrennten Füßen in ihrer Blutlache am Strand. Das Brot ist bereits gebrochen, der Krug mit Salz für die Braut verschüttet. Auch die leuchtenden Perlen, die sie im Augenblick des Todes zu greifen bekommt, sprechen nur umso schmerzlicher von Verlust und Hoffnungslosigkeit.

In einer selbstzerstörerischen Handlung injiziert sich Dornröschen (Atropos’ Work) jenes Gift, das ihr den sicheren Tod bedeutet, und besiegelt so von eigener Hand ihr Schicksal. Der Faden des Lebens bricht, das Spinnrad steht still - der Triumph des Todes über das Leben ist unabwendbar.

So ist auch Schneewittchen zu einem bloßen Stillleben reduziert. Nature Morte beschließt den düsteren Reigen der Serie, einen Totentanz von nur scheinbar schlafenden Schönheiten, der in einer letzten, dem Tod gänzlich hingegebenen Bewegung erstarrt. Die Märchenwelt wird nunmehr zum Tatort, der bereits von der Spurensicherung gesichtet wurde. Gibt es tatsächlich keine Hoffnung mehr? „Es ist zwar nicht zu sehen, doch ich habe Schneewittchen ein originalgetreues Gehirn geknetet“, bemerkt Julia Murakami, „so schnell wird sie nicht wieder in einen giftigen Apfel beißen!“

In eben dieser für sie charakteristischen Hintergründigkeit konfrontiert Julia Murakami in Anatomy of a Fairy Tale die poetische Märchenwelt mit zeitgenössischer Kriminalistik, überführt die vermeintliche Leichtigkeit und Verspieltheit der Volksweisen in eine gänzlich diesseitige Gegenwart. Ihre Bildsprache führt den unheilvollen Apfel des biblischen Paradieses mit den Schicksalsgöttinnen griechischer Mythologie zusammen. In der Vanitas-Symbolik und einem Detailreichtum, der auch vor grausamen Einzelheiten nicht zurückschreckt, klingen Barocke Topoi an, welche die provozierende Gegenüberstellung von irdischer Schönheit und Tod im Bewusstsein der Endlichkeit sinnfällig verdichten.


»Anatomy of a fairy tale«

Miniaturen von Julia Murakami

nach den Märchenerzählungen Schneewittchen, Dornröschen und Rotkäppchen von den Gebrüdern Grimm und Die Kleine Seejungfrau von Hans Christian Andersen

Between You And The Deep Blue Sea, 2008

Installation
Fimo-Miniaturen, Glaswachsperlen, Salz, Spinat, Acylfarbe, Islandmoos, Dekosand, Muschel, Digitaldruck
Glasvitrine, 25×40×25cm

Nature Morte & Atropos' Work, 2008

Installation
Fimo-Miniaturen, grüne Rocailles, Papier, Folie, Kunststoff- und Naturpflanzen, getrockneter Waldboden, Krone mit Swarovski-Kristall, Blut, Schmuckanhänger, Acrylfarbe, Glasflasche, Garn, Kordel, Kunsstoffglas, Kaffee, Papier
Glasvitrine, 40×40×40cm

Under Glass & The Mirror Of Vanitas, 2008

Installation
Fimo-Miniaturen, Echthaar, Kunststoffglas, Onyxkreuz, Computertomographie, Folie, Holz, Plattenmoos, Schmuckschloss, Kunststoff- und Naturpflanzen, Glaswachsperlen, Polyamid, Papier, Kaffee, Blut, Silberfäden, Tinte, Siegellack
Glasvitrine, 40×40×40cm

My Body Was Cold But I Was Still Breathing, 2008

Installation
Fimo-Miniaturen, Islandmoos, Filz, Granulat, Papier, Aquariumfolie (Marina)
Glasvitrine, 25×40×25cm

vita

2008 Kunsthalle Paderborn – group exhibition

2008 contemporary art ruhr, Welterbe Zollverein, Essen – Messe für zeitgenössische Kunst

2009 Zirkus Minimus/Directors Lounge, Walden Kunstausstellungen, Berlin - Minimesse

2009 Paderborns Junge Talente, Residenz, Paderborn – group exhibition

2009 Tease Art Fair, RheinTriadem, Köln

2009 contemporary art ruhr, Welterbe Zollverein, Essen - Forum und Medienkunst-Messe


projekt

1000 Japanese Guerilla Paparazzi trying to capture a snapshot of the rising son in the fortune cookie industry. Sie kommen. World Tour '09.
t
emporäre Installation im öffentlichen Raum/temporary public installation